Weltweit wird nach Lösungen gegen den steigenden Trend von Treibhausgasemissionen gesucht. Das Pariser Klimaziel sieht vor, die Erderwärmung auf weniger als 2 Grad und damit vorindustrielles Niveau zu bringen, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Aktuellen Zahlen des Global Carbon Project zufolge rückt dieses Ziel in weite Ferne: Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre nimmt 2021 im Vergleich zum Vorjahr knapp fünf Prozent zu und liegt bei ca. 36,4 Tonnen an ausgestoßenem CO2. Hauptverursacher von CO2 sind der Energiesektor und Transportsektor, gefolgt von Industrie und Landwirtschaft. „Hier braucht es grüne Technologien wie End-of-Pipe-Lösungen, um CO2 aus Abgasströmen oder sogar direkt aus der Luft als Ressource zu nutzen – Stichwort „Carbon Capture“, erklärt Mathias Drexler, CEO des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib).
Das vom COMET-Programm der FFG geförderte, internationale Kompetenzzentrum forscht an biotechnologischen Ansätzen, die eine globale Abschwächung des Klimawandels versprechen könnten: In einem breit angelegten CO2-Schwerpunkt im Rahmen des acib arbeiten drei universitätsnahe Forscherteams in mehreren Projekten daran, CO2 in hochwertige Proteine umzuwandeln. Daraus könnten wertvolle Bausteine für die Futtermittel- oder Bioplastikproduktion hervorgehen. Dem Klimawandel würden die Technologien gleich mehrfach vorbeugen: Branchen wie die produzierende Industrie und die Landwirtschaft könnten neue Geschäftsfelder mit nachhaltigeren Erzeugnissen erschließen, ihre Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduzieren und nicht zuletzt Kosten, Energie und Emissionen sparen.
Natürliche Mikroorganismen für industrielle Prozesse
Um grüne Technologien zu entwickeln, macht sich die moderne Biotechnologie die Fähigkeiten von Mikroorganismen wie Bakterien und Hefen zunutze. Als einzellige Pilze ernähren sich Hefen normalerweise von Kohlenhydraten aus Biomassen wie z.B. Zucker. Pflanzen wie Zuckerrohr müssen wiederum auf Feldern angebaut werden. Ihr Einsatz als Substrat für Mikroorganismen steht zum einen im Widerspruch zur Nutzung von Pflanzen für die Nahrungsmittelproduktion, da zum anderen landwirtschaftlich nutzbare Flächen immer knapper werden: Allein 2019 wurden 4,8 Milliarden Hektar an Land, was mehr als einem Drittel der gesamten verfügbaren Landmasse der Erde entspricht, für landwirtschaftliche Zwecke genutzt, was die Agrarindustrie zunehmend unter Druck setzt. „Aus diesem Grund haben wir industrielle Hefezellen mithilfe verschiedener Engineeringmethoden so verändert, dass sie anstatt Biomasse nun CO2 fixieren können, und das direkt aus der Luft“, erklärt Diethard Mattanovich, der das Forschungsteam an der BOKU Wien in den Projekten „Carbofeed“ und „VIVALDI“ leitet. Mattanovich und sein Team haben den als „Bäckerhefe“ bekannten Mikroorganismus Pichia pastoris dazu gebracht, seine Ernährung von heterotropher auf autotrophe Ernährung umzustellen. „Unsere Hefe wurde so umprogrammiert, dass ihr Stoffwechsel nun dem Kohlenstoff-Aufnahme-Zyklus von Pflanzen ähnelt. Die Energie kommt jedoch nicht vom Sonnenlicht, sondern ist chemische Energie aus in großen Mengen verfügbarem Methanol“.
Von Futtermittel bis hin zu Bioplastik
Dieser Prozess bringt eine Reihe an Vorteilen: Die Produktion von z.B. Proteinen für die Tierernährung wird wesentlich preisgünstiger, da CO2 eine günstige und in großen Mengen vorhandene Kohlenstoffquelle darstellt. Indem die Futtermittel in Bioreaktoren hergestellt werden, wird eine gleichbleibende Qualität ohne den Einsatz von Pestiziden ermöglicht. Eine Verunreinigung durch Pilzgifte, die unter natürlichen Umgebungen auftreten kann, wird ausgeschlossen. Bioreaktoren brauchen zudem weniger Platz, können überall aufgestellt werden und eine ganze Menge an Produkt herstellen: „Ein handelsüblicher Großfermenter von 500m3 Größe könnte jährlich ca. 2.000 Tonnen CO2 binden, was dem Ausstoß von ca. 1.000 Autos pro Jahr gleichkommt“, rechnet Mattanovich vor. Die Hefezellen könnten sich ebenso für die Produktion von großen Mengen an Bioplastik wie Polylactat – PLA einsetzen lassen, um der Umweltverschmutzung von fossil hergestelltem Plastik vorzubeugen. „Bei Einsatz in großen Mengen, hätte unsere Technologie durchaus das Potenzial, die Erderwärmung zu reduzieren. Dazu müsste unsere Carbon Capturing Mathode möglichst schnell auf Industriegröße gebracht und damit markttauglich gemacht werden, wofür es dringend weitere F&E-Gelder und Initiativen bräuchte“, wünscht sich der Forscher.
Proteine aus Industrieabgasen
Das Ziel ist, schon in den nächsten Jahren Bioreaktoren mit Industriegroßanlagen zu koppeln, um das CO2 z.B. aus Abgasen von Industrieanlagen wie Zementfabriken zu verwenden. Um diesen Schritt bald in die Praxis umzusetzen, wurde das acib-Spin-off Econutri gegründet. In Zusammenarbeit mit einem österreichischen Unternehmen baut Econutri mit Unterstützung des acib gerade ein Pilot-Bioreaktor mit einem Gesamtvolumen von 300 Litern, um die notwendigen Grundlagen für einen wirtschaftlichen Bioprozess zu schaffen. In weiterer Folge sollen die Erkenntnisse in die Planung einer Großanlage fließen. „Wir wollen in unseren Bioreaktoren Bakterien züchten, die CO2 als Nährstoffquelle nutzen und mithilfe von Wasserstoff in ihrer Biomasse bis zu 80 Prozent an Proteine einlagern können“, verraten die Geschäftsführer Verena Schwab und Helmut Schwab. Als aufbereitete, proteinreiche Biomasse kann das Produkt direkt an Tiere verfüttert werden, darunter Fische, Hühner oder Schweine. Der Prozess hilft, weder Meere noch Landflächen zu belasten: „Biotechnologisch hergestelltes Protein könnte einerseits eine Überfischung der Ozeane verlangsamen, da auch viele Fische zu Fisch- bzw. Tierfutter verarbeitet werden. Andererseits könnte dadurch eine zusätzliche, alternative Form der Landwirtschaft geschaffen werden, die ohne Anbau- und Weideflächen und weniger Ressourcen auskommt. Derzeit setzt die Landwirtschaft bis zu 37 Prozent an allen menschgemachten Treibhausgasen frei. Vor allem die Massentierhaltung und durch sie entstehendes Methan, das um das 25-fache schädlicher ist als CO2, gelten als Klimakiller. „Wir denken deshalb auch darüber nach, unterschiedliche Proteinprodukte für die humane Ernährung zu produzieren. Dazu muss einerseits die Akzeptanz der Bevölkerung für im Labor modifizierte Nahrungsmittel steigen“, bedenkt Helmut Schwab. Andererseits müssten auch in der Industrie ein Strukturwandel hin zu umweltfreundlicheren Entwicklungen stattfinden, „sonst wird es für die Landwirtschaft zur Herausforderung, die steigende Bevölkerungszahl weltweit mit Proteinen zu versorgen und dabei noch dem Klimawandel vorzubeugen.“
In Forschung investieren
Aus diesen Gründen wünschen sich die acib-Forscher, dass sich alle an der Klimadebatte beteiligen und einen Beitrag leisten. CO2-Steuern, Verbotsregelungen oder Verzicht ändern nur wenig. „Die Politik müsse größere Anstrengungen unternehmen, eine gezieltere Internationalisierung von Forschungs-Know-how zu forcieren und stärkere Investitionen in CO2-Capturing Technologien zu tätigen, damit diese möglichst rasch für einen großen Maßstab einsatzfähig werden“, erklärt Drexler und fügt hinzu: „Was wir an CO2 an einem Ende zu viel haben, haben wir am anderen Ende zu wenig: nämlich Zeit, noch rechtzeitig Klimaneutralität zu erreichen.“